Felsreliefs
im irakischen Kurdistan

(Michael G. Brown, Ulrike Bürger & Peter A. Miglus)

Felsreliefs gehören zu den wichtigsten Kulturdenkmälern Vorderasiens. Altorientalische Herrscher ließen sie im Bergland, an Pässen und Flüssen anbringen, um auch in diesen unwegsamen Regionen ihre Herrschaftsansprüche zu verdeutlichen. Im östlichen Vorderasien sind besonders die Bildwerke im iranischen Fars, Huzistan und Luristan aus der elamischen, achämenidischen, parthischen und sasanidischen Zeit bekannt. Weiter nördlich, im kurdischen Zagros-Gebirge, befinden sich die ältesten Felsreliefs, die im 3. und 2. vorchristlichen Jahrtausend entstanden sind. Zu einer jüngeren Gruppe gehören neuassyrische Denkmäler aus dem 8. und 7. Jahrhundert v. Chr., vor allem die großen Bildkomplexe Bawian und Maltai in der irakisch-kurdischen Provinz Duhok.

Die fotografische und fotogrammetrische Dokumentation der Felsreliefs in den irakischen Provinzen Sulaimaniya und Halabja ist das Ziel des im September 2016 begonnenen Kooperationsprojekts des Directorate of Antiquities and Heritage der Provinz Sulaimaniyah und des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie der Universität Heidelberg, das von der Gerda Henkel Stiftung gefördert wird. Es handelt sich dabei um zwei zeitlich unterschiedliche Denkmalgruppen: Die Reliefs von Darband-i Belula, Darband-i Gaur, Delezha, Darband-i Ramkan und Bitwāta datieren an den Übergang vom 3. zum 2. Jahrtausend v. Chr., sie zeigen als Standardmotiv einen triumphierenden Fürsten, gegebenenfalls mit einer Gottheit oder mit besiegten Feinden. Die zweite Gruppe aus den Jahrhunderten um die Zeitenwende umfasst die achämenidische Grabfassade von Qizqapan sowie jüngere Bildwerke in Mirquli und Rabana, die in der parthischen Zeit auf Geheiß eines lokalen Fürsten an den Eingängen seiner Bergfestungen angefertigt wurden.

Die Felsreliefs wurden bereits mehrfach von verschiedenen Forschern und Reisenden des 19. und 20. Jahrhunderts beschrieben, gezeichnet und fotografiert. Diese in verschiedenen Artikeln und Büchern verstreuten Veröffentlichungen sind jedoch nicht immer von guter Qualität. Im Rahmen des neuen Projektes werden daher alle Denkmäler noch einmal einheitlich und unter Einbeziehung der sie umgebenden Landschaft aufgenommen. Das ist auch bitter nötig, weil sich ihr Erhaltungszustand kontinuierlich verschlechtert, was nicht nur auf natürliche Felserosion zurückzuführen ist. Vor allem in den letzten Jahrzehnten entstanden an den Denkmälern beträchtliche Schäden und Zerstörungen: Die zugänglicheren von ihnen sind oft mit Graffitis oder großflächig mit Farbe beschmiert, andere zeigen deutliche Einschusslöcher, weil sie Soldaten, Hirten und anderen Freizeitschützen als Zielscheibe dienten. Sie werden von Schatzsuchenden unterhöhlt, und das Relief von Bitwāta gelangte sogar auf den Kunstmarkt.

Seitens der irakischen Antikenbehörde in Sulaimaniya besteht deshalb großes Interesse an der Dokumentation der Reliefs. Dort wünscht man sich auch eine informative Veröffentlichung, um die Bevölkerung für diese Kulturdenkmäler zu sensibilisieren und einen verantwortungsvolleren Umgang mit dem kulturellen Erbe zu fördern. Die Aufnahmen des Projektes sollen allen interessierten Forschern zugänglich gemacht werden, um ihre weitere wissenschaftliche Auswertung zu unterstützen.
Einen Eindruck von der Vorgehensweise, den Methoden und Möglichkeiten der fotogrammetrischen Dokumentation soll der folgende Kurzfilm vermitteln:

Das Projekt wird gefördert durch die

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